Steckbrief
Der Klabautermann ist ein
kleines graues Männchen mit meeresgrünen, gutmütigen Augen und einem
langen roten Bart. Gekleidet ist er in einen
alten, wettergegerbten Seemannsmantel, der mit Muscheln und allerhand
Schätzen aus dem Meer behängt ist, dazu trägt er Gummistiefel und
Südwester. Häufig raucht er Pfeife und fast immer trägt er einen
Kalfaterhammer bei sich, um bei jeder Gelegenheit damit klopfen und
poltern zu können.
Neuerdings sieht man ihn stattdessen immer öfter auch mal sein
mobiles Muscheltelefon in der Hand halten. Das heißt — falls man ihn
sieht. Denn, wie schon erwähnt, können Erwachsene ihn im Allgemeinen
überhaupt nicht sehen.
Kinder hingegen haben damit kein Problem.
Lange Zeit war der Klabautermann als Schiffskobold und Schutzgeist
der Seefahrer auf allen
Weltmeeren unterwegs. Bei Gefahr stand er der Schiffsmannschaft
hilfreich zur Seite, ansonsten trieb er gern Schabernack und lärmte und
polterte nachts auf dem Schiff herum.
Aber er fühlt sich nur auf hölzernen Schiffen zu Hause, und da es
auf dem Meer immer weniger hölzerne Schiffe gibt, schippert er jetzt
den größten Teil des Jahres
lieber mit einem alten Äppelkahn auf kleineren Gewässern wie Spree,
Havel, Panke, Müggelsee,
Scharmützelsee,
Schermützelsee, Schlachtensee, Wannsee und Teltowkanal herum.
Ganz in der Nähe eines Berliner Springbrunnens, oder vielleicht
sogar mitten drin, soll er sich ein gemütliches Koboldhäuschen
eingerichtet haben. (Näheres dazu kann man herausfinden, wenn man an einer Stadtrallye auf den Spuren des Klabautermanns teilnimmt — der Berliner Brunnentour).
Wenn der Klabautermann nicht gerade mit dem Polieren seiner zahlreichen Goldtaler
oder mit Herumpoltern beschäftigt ist, oder auf seinem Äppelkahn
sitzt und Milch trinkt, oder mit seinem Kalfaterhammer losgezogen ist,
um flink und unbemerkt eines der auf Berlins Spielplätzen so zahlreich
anzutreffenden Kletterschiffe zu reparieren, dann trifft er sich am
liebsten mit Kindern. Mit ihnen kann er sich ausgezeichnet unterhalten,
viel besser
als mit den modernen Seefahrern, die nicht einmal mehr richtiges
Seemannsgarn spinnen können.
Seit seinem Rückzug aus dem Schiffskoboldgeschäft verwendet er daher
seinen ganzen neckischen Koboldeifer vor allem dazu, sich zusammen mit
seinem Freund Robert Mingau — dem Autor dieser Website und kongenialen
Spielaktionserfinder — märchenhafte Erlebnisse und unvergessliche
Abenteuer für Kinder in Berlin und Brandenburg auszudenken.
Schätze
im Besitz
des Klabautermanns
Viele Jahrhunderte lang hat der Klabautermann als Schiffskobold die
Meere und Ozeane durchquert. Von der Ostsee bis zur Karibik, vom Kap
der Guten Hoffnung bis zum Amundsengolf, von den Osterinseln bis zum
Ärmelkanal gibt es kaum eine Küste, Klippe oder Insel, die er nicht wie
seine Westentasche kennt.
Auf seinen unzähligen Reisen hat es ihn natürlich des Öfteren auch
auf
Schatzinseln verschlagen, oder er fand versunkene Schiffe mit kostbaren
Ladungen – Gold, Diamanten, Perlen, Rubine, Juwelen, Smaragde. Und
genau wie alle anderen Kobold- und Zwergengestalten
liebt der Klabautermann derlei funkelnde Schätze abgöttisch.
Mit Hilfe verwandter Kobolde und Wassergeister schleppte er so
manche
prall gefüllte Schatztruhe in geheimnisvolle Grüfte und Grachten, auch
wenn ihm der Meeresgott Neptun manchmal dabei in die Quere kam und die
edelsten
Fundstücke für seine eigenen Schatzkammern reklamierte, jene von
durchsichtigen Tiefseemonstern
bewachten schillernden Gemächer im Innersten seiner prunkvollen Paläste
am Meeresgrunde, deren unvorstellbare Pracht keines
Menschen Auge je gesehen hat.
Nicht selten segelte er auch mit Piraten übers Meer, denen er oft
mit
List und Tücke einen guten Teil ihrer Beute abluchste, besonders wenn
sie sich für seinen Geschmack wieder einmal allzu roh und ungeschliffen
benommen hatten.
Auch ein alter Brauch der Schiffsbauergilden vermehrte
den Reichtum des Klabautermanns: Extra für ihn legten die Zimmerleute
und Schiffsbaumeister, bevor der Großmast in das Bodengebälk eines neu
erbauten Segelschiffes hineinversenkt wurde, ein blankes Goldstück in
die Höhlung, auf der der Fuß des Mastes zu stehen kommen sollte. Für
den Klabautermann gehörte es zu den leichtesten Übungen in Magie,
dieses Goldstück in die Taschen seines Seemannsmantels hineinzuzaubern,
obwohl es natürlich nach menschlichem Ermessen unmöglich war, ohne
einen Kran oder Flaschenzug den schweren Mast anzuheben und die Münze
hervorzuholen. Wenn der Mast dann bei einem heftigen Sturm einmal
abbrach und das Fehlen des Goldstücks offenbar wurde, dann wunderten
sich jedes Mal die wenigen Matrosen, die nicht an den Klabautermann
glaubten — aber das waren ohnehin nur ganz, ganz wenige.
All das führte dazu, dass der Klabautermann mit der Zeit sagenhafte
Reichtümer anhäufte. Es wird vermutet, dass er einen Teil davon in
einem
unterirdischen Labyrinth, das nur von seiner Berliner
Springbrunnen-Koboldhütte aus erreichbar ist, versteckt hat. Das
Beste daran ist: Er nimmt dort manchmal einfach eine Schatztruhe heraus
und versteckt sie an einem anderen Ort, wo sie dann von schlauen und
mutigen kleinen Schatzsuchern entdeckt werden kann. Er weiß nämlich
ganz genau,
was für begeisterte Schatzsucher die meisten Kinder sind und wie sehr
auch sie die vielen glänzenden Goldtaler lieben. Erst recht, wenn sie
herausfinden, dass man diese unter ganz bestimmten Umständen — auch
essen kann!
Jawohl! Bei dieser Gelegenheit werden alle eines Besseren belehrt,
die glauben, man könne Geld nicht essen.
Durch Klabautermanns neckischen Schabernack verwandelt sich der
heiligste Götze unseres Zeitalters im Munde der Kinder
auf mystische Weise in süße Nahrung! Wer es nicht glaubt, der kann es
auf einer Schatzsuche mit dem Klabautermann
gerne einmal selbst
ausprobieren.
AusführlicherLebenslauf
Vorbemerkung
Das Leben des Klabautermanns zu erforschen ist kein leichtes
Unterfangen, reicht doch sein mythisches Wandeln und Wirken
Jahrtausende in die Vergangenheit zurück. Bei so einer langen
Lebensspanne ist es klar, dass auch der Klabautermann
selbst allenfalls Bruchstücke seiner Biographie aus dem Gedächtnis
rekonstruieren kann.
Der hier wiedergegebene Lebenslauf orientiert sich
am aktuellen Forschungsstand, das heißt, er verknüpft die wenigen
Fakten, die aus den lückenhaften und unzuverlässigen Quellen klar
hervorgehen, mit den teilweise recht kühnen Hypothesen der wissenschaftlichen Klabautermannkunde zu
einem biographischen Puzzle, das sicher an vielen Punkten einer von
gewissenhaften Klabautermannforschern erst noch zu leistenden
Überprüfung und Revision bedarf.
Einordnung innerhalb
des Reiches der Geister
Das Handbuch der Germanischen Mythologie
von Wolfgang Golther (Leipzig, 1895) ordnet den Klabautermann unter den
„Gestalten des Volksaberglaubens“ in die Gruppe der Elbe und Wichte ein und bescheinigt ihm eine
enge Verwandtschaft mit verschiedenen Kobolden oder Hausgeistchen wie
den Heinzelmännchen, Heimchen, Wolterkens, dem
niedersächsisch-friesischen Puk bzw. Nis Puk und den niederländischen kaboutermannetjes, ferner mit Schreckgespenstern
wie Butzemann, Pötz, Pöpel, Hullenpöpel, Pulterklaes und Herscheklaes
(polternden und angsteinflößenden Begleitern des Heiligen Nikolaus),
und somit auch mit dem modernen Weihnachtsmann.
Golther führt überzeugende Beispiele für die Ähnlichkeit zwischen
Kobold und Klabautermann an, etwa die geringe Körpergröße, das
neckische Wesen, die Vorliebe, Menschen durch Poltergeräusche zu
foppen, die gelegentliche Unsichtbarkeit oder das gemeinsame
Lieblingsgetränk Milch, und er fasst dies zu der einprägsamen Formel
zusammen:
„Was der Kobold fürs Haus, das ist der Klabautermann fürs Schiff.“
Die Begründer der wissenschaftlichen Klabautermannkunde, Professor
Mingau und Dr. Kienspan, stellen diese Zuordnung zu den Kobolden keinesfalls in
Frage. Es gelang ihnen jedoch, die Lebensgeschichte des Klabautermanns
über jene Epoche hinaus zu verfolgen, in der ein auf germanischer
Mythologie beruhender Volksaberglaube lebendig war, und zwar einerseits
bis in die Gegenwart, und andererseits weiter zurück bis in die Antike.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Altertum:
Ein keltischer Gott
Bronzestatue des Sucellus im Musée nationale d'archéologie, Saint-Germain-en-Laye
Foto: PHGCOM [Public domain]
Quelle: Wikimedia Commons
Durch vergleichende religionswissenschaftliche und mythologische Studien gelangten Prof. Mingau und Dr. Kienspan zu der Überzeugung,
dass der Klabautermann nicht nur ein Verwandter, sondern unmittelbar
identisch mit dem keltischen
Wald- und Fruchtbarkeitsgott Sucellus sei,
der im antiken Gallien, vorwiegend im Gebiet zwischen Mosel, Rhône und
der heutigen frankophonen Schweiz, verehrt wurde, und der seinerseits
von einer Dryade, einer griechischen
Baumnymphe, genauer: Eichennymphe, abstammt.
Der Name Sucellus geht auf die indogermanische Wurzel *keldos zurück, mit der Bedeutung treffen oder
zuschlagen, die sich z.B. auch im griechischen klao
(zersplittern, brechen) und im litauischen kalti
(hämmern) wieder findet. Aus dem gleichen Stamm leitet sich das
norddeutsche klabastern oder klapaustern (klopfen, poltern) her, aus dem
wiederum der Name des Klabautermanns abgeleitet ist, desgleichen das
Wort kalfatern (abdichten/flicken von
Schiffswänden) und der Kalfaterhammer –
ein traditionelles Attribut und unentbehrliches Requisit des
Klabautermanns.
Genau wie die hier abgebildete Bronzestatue zeigen die meisten erhaltenen bildlichen Darstellungen Sucellus mit einem merkwürdig
überdimensionierten Hammer in der rechten Hand, dessen Funktion nicht
endgültig geklärt zu sein scheint. Gelegentlich wird er als Instrument
gedeutet, mit dem der Gott, der auch Herr über Leben und Tod war,
Menschen den Tod bringen oder Tote wieder zum Leben erwecken konnte;
möglich erscheint aber auch, dass er ihn in erster Linie zum Poltern
und Lärm machen benutzt hat. Die frappierende Ähnlichkeit mit dem
klabautermännischen Kalfaterhammer ist jedenfalls klar zu erkennen.
Den Weg der Verwandlung des keltischen Gottes des Altertums in eine
neuzeitliche,
norddeutsche Sagengestalt, rekonstruiert die wissenschaftliche
Klabautermannkunde wie folgt:
Nach der Eroberung Galliens durch die Römer wurde Sucellus zunächst mit
römischen Göttern (Silvanus oder auch Pluto) gleichgesetzt und musste
mit ihnen seinen Lebensunterhalt, also die ihm dargebrachten
Opfergaben,
teilen. Mit dem Beginn der Christianisierung hörte seine Verehrung
gänzlich auf. Im frühen Mittelalter wanderte er als ein vazierender
(arbeitsloser) Gott durch ganz Europa.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Die erste Metamorphose:
Verwandlung in einen Baum
Am Ende seiner langen
Wanderfahrt, wahrscheinlich um das Jahr 1111, gelangte er an die
Ostsee, in einen Wald unweit der Weichselmündung und der Stadt Gedanum
oder Gyddanze, dem späteren Danzig. Dort soll er dann in den Stamm
einer Eiche eingefahren sein, um mit ihr „ein Holz“ zu werden und die
Leiden eines Baumlebens am eigenen Leib zu erfahren (christlich
beeinflusste Version), oder aber er verwandelte sich in einen ganzen
Wald bzw. wurde zum Geist dieses Waldes (schiffsbautechnisch
realistischere Version).
Dazu muss erklärend angemerkt werden, dass
Sucellus als Waldgott von jeher in engem Zusammenhang mit Bäumen und
Holz stand, und wenn seine Mutter eine Dryade war, so erscheint es
durchaus plausibel, dass er von ihr auch die Fähigkeit zur Metamorphose
von Menschen- in Baumgestalt geerbt haben könnte. (Die Dryaden und
andere Nymphen setzten diese Fähigkeit gewöhnlich ein, um den sexuellen
Übergriffen olympischer Götter wie Apollon, Hermes oder Zeus zu
entkommen, wie man es beispielsweise in der Geschichte von Phoebus und
Daphne im 1. Buch der Metamorphosen des
Ovid nachlesen kann).
Seit dem Hochmittelalter, der Blütezeit der Hanse, taucht nun die Figur des Klabautermanns in den Sagen verschiedener Regionen entlang der deutschen Nord- und Ostseeküste auf. Stets wird er in enger Verbindung mit dem Schiff, auf dem er sich aufhält, speziell mit dem Holz dieses Schiffes, dargestellt.
Nach baltischen und ostpreußischen Versionen der Sage ist der
Klabautermann die Verkörperung der Seele eines toten Kindes, das im
Bauholz des Schiffes steckt – möglicherweise eines Kindes, das durch
einen Spalt in Eichen gesteckt wurde, um einen gebrochenen Arm oder ein
gebrochenes Bein zu heilen, und dann darin stecken blieb, oder eines
ungetauft gestorbenen Kindes, das unter einem Baum begraben wurde. Nach anderen Quellen kann es sich auch um die Seele eines Menschen handeln,
der vom Baum erschlagen wurde oder sich daran erhängt hat.
Eine mehr patriarchalisch orientierte Version
behauptet wiederum, der Geist des Schiffsbaumeisters sei durch ein bestimmtes
Ritual in das Schiffsholz gelangt, und wache dann, wenn das Schiff auf
hoher See sei, als Schutzgeist und Klabautermann über die Seeleute.
Der wahre Kern all dieser mythischen Überlieferungen besteht offenbar in
der engen Verklammerung von Klabautermann und Schiffsbauholz, die in
Wirklichkeit in der Holz- oder Waldwerdung des Sucellus ihren Ursprung
hat. Es ist das Verdienst der wissenschaftlichen Klabautermannkunde, mit ihrer Theorie der zwei Metamorphosen erstmals eine einleuchtende Erklärung für diese in den Sagen überlieferten Zusammenhänge auf der Grundlage historischer Fakten geliefert zu haben.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Die zweite Metamorphose:
Wiedergeburt in Koboldgestalt
Die aufblühende Stadt Danzig übernahm 1224 das lübische Recht
und wurde Hansestadt. Von hier aus wurden vor allem Holz und Korn in den gesamten Nord- und Ostseeraum geliefert. Ein maßgeblicher Teil des Holzes, das in verschiedenen Hansestädten wie Lübeck, Hamburg, Bremen oder Stralsund für den Bau von Koggen verwendet wurde, stammte also ab dem 13. Jahrhundert aus den Wäldern des pruzzischen und pommerellischen Danziger Hinterlandes.
Auch Sucellus-Klabautermanns teilte das Schicksal dieser Wälder und wurde — sei es nun in
konkreter Holzlichkeit oder eher in symbolischer Form — mit kräftigen Axthieben gefällt, anschließend verkauft, verschifft, und in erster Linie als Schiffsbauholz verwendet. Er „steckte" also im Holz der Schiffe, und auf hoher See erwachte er zu neuem Leben.
Selbstverständlich wurden Schiffe und Bauholz mit der Zeit auch über den von der Hanse dominierten Nord- und
Ostseeraum hinaus exportiert, so dass der Wirkungsradius des Klabautermanns nicht auf diesen beschränkt blieb. Vielmehr war er in
späteren Jahrhunderten auf allen Weltmeeren zu Hause.
Wie ging nun der Akt der Wiedergeburt des Sucellus als Klabautermann
aus dem Holz eines Schiffes konkret vonstatten? Es lässt sich leicht
vorstellen, dass der schaukelnden Bewegung des Schiffes auf den
Meereswellen die Funktion von Wehen zukam, jedenfalls schaukelt der
Klabautermann auch heute noch für sein Leben gern.
Sobald ein
Schiff auf hoher See war und schön schaukelte, kroch der Klabautermann
irgendwo im Laderaum aus dem Holz einer Planke oder eines Spants. Dabei
nahm er eine seinem heutigen Aussehen offenbar recht ähnliche
Koboldgestalt an, die uns in zahlreichen – allerdings
nicht in allen Punkten übereinstimmenden – Beschreibungen und
Abbildungen überliefert ist. Auf einen besonderen Begleiteffekt dieses
Geburtsaktes, wie etwa das Auflodern einer Flamme, wenn ein
Flaschengeist aus seiner Flasche herausfährt, gibt es keinerlei Hinweis.
Prinzipiell ist wohl davon auszugehen, dass die Epiphanie des
Klabautermanns sich zu verschiedenen Zeiten auf verschiedenen Schiffen
vollzog, so dass eigentlich mehrere Klabautermänner, die jeweils
individuell mit einem Schiff verbunden waren, entstanden. Allerdings
führt eine solche Vorstellung leicht in die Irre, denn keinesfalls kann
der Klabautermann als typisches Mehrzahlwesen betrachtet werden, wie
andere koboldartige Männchen,
etwa Trolle, Wichtel, Elfen, Schlümpfe oder Heinzelmännchen.
Es wäre
also unangemessen, von einer Multiplikation des Sucellus zu sprechen; andererseits gibt es sehr wohl Quellen, die von angeblich belauschten Gesprächen zweier oder mehrerer Klabautermänner berichten. Der Klabautermann selbst hält sich natürlich für ein einzigartiges Individuum, doch die Tatsache, dass er über Jahrhunderte hinweg eine so allgemeine Bekanntheit unter Seefahrern erlangt hat, scheint eher für die Existenz mehrerer Zwillingsbrüder zu sprechen. Vielleicht muss man sich eine auf mystische Weise gleichzeitige, parallele Gegenwart eines einzigen
Klabautermanns auf verschiedenen Schiffen vorstellen, der in jeder seiner Fragmentgeburten ein mit sich selbst identisches Ganzes war? Ein
kniffliges Thema, das nur darauf zu warten scheint, zwischen den Koryphäen rivalisierender klabautermannkundlicher Strömungen spitzfindige Debatten auszulösen, das aber für das weiter reichende Erkenntnisinteresse der wissenschaftlichen
Klabautermannkunde letztlich von untergeordneter Bedeutung ist.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Das Leben als Schiffsgeist
Wie dem auch sei: wenn der Klabautermann einmal auf einem Schiff zu
leiblicher Existenz gelangt war, richtete er sich auch gleich häuslich
ein und trat mit der Schiffsmannschaft in Kontakt.
Vermutlich war er für die Seefahrer des Mittelalters noch weitestgehend
sichtbar und lebte mit ihnen in einer mehr oder weniger gleichberechtigten
Gemeinschaft zusammen. Seine Unsichtbarkeit für
Erwachsene bildete sich erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte allmählich
heraus.
Selbst für den sichtbaren Klabautermann scheint es jedoch typisch gewesen zu sein, dass
er sich den Matrosen mit besonderer Vorliebe durch Poltern bemerkbar
machte. Es heißt auch, dass er nachts allerlei nützliche
Arbeiten verrichtete: er stopfte Löcher im Schiffsrumpf (unter
Verwendung des Kalfaterhammers), flickte Segel und Kleider, reparierte
Töpfe und Werkzeug, oder staute die Ladung nach. Dabei polterte und
lärmte er oft so laut herum, dass die Seeleute nicht schlafen konnten,
besonders, wenn diese ihn am Tag zuvor geärgert hatten.
Auch soll er sich mit
(wohl überwiegend im unsichtbaren Modus ausgeteilten) Püffen und
Kniffen an denjenigen
Matrosen gerächt haben, die ihn alle Arbeit allein tun lassen wollten
und selbst auf der faulen Haut lagen.
Ob er mit einigen Kapitänen
persönliche Unterhaltungen über Gott und die Welt führte – der
Klabautermann selbst glaubt, sich daran zu erinnern – unterliegt
gewissen Zweifeln. (Man muss hier sowohl auf klabautermännischer Seite
als auch in den Kapitänsmemoiren, die von solchen Gesprächen berichten,
mit einem hohen Anteil an „Seemannsgarn“ rechnen).
Auf jeden Fall
führte er auf den meisten Schiffen ein gutes Leben. Die Seemänner
wussten, dass er ihr Schiff vor Brand, Strandung und anderen Gefahren
behütete. Solange der Klabautermann an Bord war, konnte das Schiff nicht sinken. Daher
behandelten sie ihn stets gut und stellten bei allen Mahlzeiten einen
Extra-Teller für ihn auf, auf dem ihm von allem das Beste serviert
wurde. (Er war als Feinschmecker bekannt und als ehemaliger Gott daran
gewöhnt, Opfergaben entgegen zu nehmen). Besondere Mühen verwandte
der Schiffskoch darauf, so lange wie möglich Milch für ihn vorrätig zu
halten, die er sich am liebsten in mehreren kleinen Schälchen, überall
auf dem Schiff verteilt, servieren ließ. Auch gelangten im Laufe der
Jahrhunderte, wie schon erwähnt, unzählige Schätze
in den Besitz des Klabautermanns.
Während der gesamten Epoche der Segelschifffahrt reiste der
Klabautermann auf diese Weise über die Weltmeere, in glücklicher
Vereinigung mit
der Besatzung seines jeweiligen Schiffes, das er nur verließ, wenn es
unterging. Von einem bestimmten historischen Augenblick an, war das
dann auch der einzige Moment, in dem er für die
Schiffsmannschaft sichtbar wurde.
So berichtet Heinrich Heine 1826 von
seiner Reise auf die Insel Norderney (erschienen im 2. Teil der Reisebilder), was ihm der „wackere Steuermann“
seines Schiffes vom Klabautermann zu erzählen wusste:
„Auf meine Frage, ob man ihn nicht sehen könne, erhielt ich zur
Antwort: nein, nein, man sähe ihn nicht, auch wünsche keiner ihn zu
sehen, da er sich nur dann zeige, wenn keine Rettung mehr vorhanden
sei. (...) wenn der Sturm zu stark und das Scheitern unvermeidlich
würde, setze er sich auf das Steuer, zeige sich da zum erstenmal und
verschwinde, indem er das Steuer zerbräche“.
Das Phänomen der Unsichtbarkeit des Klabautermanns für Erwachsene
muss spätestens zu diesem Zeitpunkt also fest in der Alltagserfahrung
der Seeleute verankert gewesen sein; wahrscheinlich hat es sich sogar
schon viel früher, mit dem allmählichen Schwinden (oder, wie Prof.
Mingau und Dr. Kienspan präzisieren würden, der zunehmenden
Psychologisierung und Fiktionalisierung) des so genannten Aberglaubens
herausgebildet, und hatte bereits im 18. Jahrhundert, dem Jahrhundert
der Aufklärung, sein endgültiges Stadium erreicht. Die Verbindung
zwischen dem plötzlichen – der generellen Regel widersprechenden –
Anblick des Klabautermanns mit dem bevorstehenden Tod des betreffenden
Seemanns oder dem Untergang des Schiffs findet sich in mehreren
weiteren Quellen wieder, unter anderem in der 1888 von P.G. Heims
herausgegebenen Sammlung Seespuk. Aberglauben,
Märchen und Schnurren.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Der Klabautermann
verlässt das Meer
Porträt eines kleinen Jungen im Matrosenanzug
Gemälde um 1900 (Anonym, signiert "Kra") [Public domain]
Quelle: Wikimedia Commons
Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt und der Verwendung anderer
Schiffsbaumaterialien als Holz verschwand der Klabautermann – auch der
unsichtbare – nach und nach von den Schiffen und aus der Lebenswelt der
Seefahrer. Der nun folgende Abschnitt seines Lebens stand im Zeichen
einer im 19. Jahrhundert einsetzenden Entwicklung, die bis in die
Gegenwart reicht und sogar immer deutlicher und extremer wird – der Infantilisierung der Seefahrermythologie.
Piraten, Walfänger,
Seejungfrauen, grausame Kannibalen, glückliche Ureinwohner von
Südseeinseln und eben auch der Klabautermann hielten mehr und mehr
Einzug in
Kinderzimmer und Kindergärten. Statt draußen im Sturm, auf dem offenen
Meer, spielten ihre Abenteuer sich zunehmend in
Kinder- und Jugendbüchern, auf Neuruppiner Bilderbögen, und einige
Menschenalter später dann auf der Leinwand oder Mattscheibe ab.
Piraten- und Seefahrergeschichten beflügeln heutzutage die Phantasie
jedes Kindes, während Erwachsene sich meist achselzuckend davon
abwenden, womit auch das vom Klabautermann so bedauerte Aussterben der
Fähigkeit, Seemannsgarn zu erzählen, direkt zusammenhängt.
Als Zeugnis dieser Infantilisierungstendenz lässt sich beispielhaft
Christian Morgensterns Gedicht „Klabautermann“ (enthalten in den 1905
erstmals erschienenen Galgenliedern)
anführen:
„Klabautermann
Klabauterfrau,
Klabauterkind
im Schiffe sind.
Die Küchenfei
erblickt die drei.
Sie schreit: O Graus,
das Stück ist aus!
Den Pudel Pax -
den Kaufmann Sachs -
sie alle frißt
der Meerschoßdachs.
Klabautermann,
Klabauterfrau,
Klabauterkind
wo anders sind“.
Interessant ist hier zunächst die (wahrscheinlich erstmalige)
Erwähnung von Klabauterfrau und Klabauterkind, welche dem Klabautermann
in seiner Zeit als Schiffskobold niemals angedichtet wurden, sondern
eben erst nach seiner Ankunft in einem domestizierten, bürgerlichen
Milieu als passende Lebensgefährten für ihn empfunden werden konnten.
Der Klabautermann selbst streitet heute zwar vehement ab, jemals
Ehegatte und Vater gewesen zu sein, womit freilich nichts bewiesen ist
– er mag seine Gründe haben, dieses oder jenes Abenteuer, in das sein
langes, wandlungsreiches Leben ihn führte, zu verleugnen.
(Verdächtig ist jedenfalls, dass ein rothaariger Kobold namens Pumuckl, der in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts durch eine deutsche Fernsehserie und mehrere Spielfilme berühmt wurde und dessen Abenteuer die Kinderbuchautorin Ellis Kaut bereits seit 1961 schriftlich festhielt, sich wiederholt auf seine Abstammung vom „Klabauter" berief).
Auch der Rest des Morgenstern-Gedichtes führt den Leser in eine Welt weit
abseits der rauen, stürmischen Gewalt des Meeres. Das vermeintliche Schiff, auf dem sich die Klabauterfamilie befindet, ist ansonsten nur von einer
Küchenfee, einem Pudel und einem Kaufmann bevölkert – klischeehaften Vertretern des Alltagspersonals einer wohlbehüteten bürgerlichen Kinderstube um 1900. Von dem in den alten Sagen und Zeugnissen des Seemanns-Aberglaubens überlieferten Klabautermann
bleibt einzig das Motiv des bei seinem Anblick nahenden Untergangs
übrig, und selbst der wird jedes ernst zu nehmenden Schreckens beraubt,
indem als Äquivalent eines alles verschlingenden, fürchterlichen Sturmes oder Seeungeheuers lediglich ein possierliches Wortgetüm in Erscheinung
tritt, das allzu ausschließlich dem typisch Morgensternschen,
manieristischen und etwas kindlichen Reimfetischismus entsprungen ist:
der Meerschoßdachs.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Ein neues Leben
als Genius des Spiels
Vielleicht ist nun der Eindruck entstanden, man müsse die hier
skizzierte Entwicklung als dekadent ansehen und den „Verlust der
Seetauglichkeit“ des Klabautermanns in jeder Hinsicht bedauern. Der
Klabautermann selbst empfindet seine Neuorientierung der letzten 111
Jahre allerdings ganz und gar nicht als negativ.
Seinem geselligen
Wesen gemäß, passte er sich ohne jedes Ressentiment dem Universum der
kindlichen Phantasie an, in dem er nun heimisch wurde, und das sich ihm
im Vergleich zur Welt der Seefahrer sogar als überaus erfrischendes,
inspirierendes Umfeld darstellte, in dem er seine dem Spiel, dem Lärm
und dem Schabernack zugeneigten Koboldqualitäten freier und
vielseitiger als je zuvor entfalten konnte.
Die „Kinderversion“ des Klabautermanns war von Anfang an alles
andere als ein billiger Abklatsch eines „authentischen“ maritimen
Originals. Auf Grund der besonderen Seelenverwandtschaft zwischen ihm
und den Menschenkindern, die sich ja allein schon daran zeigt, dass
Kinder ihn ohne jede Vorbedingung jederzeit sehen können, geht der
Klabautermann bis zum heutigen Tag voll und ganz in seiner Rolle als
Abenteuererfinder, Phantasiereiseleiter, Flaschenpostautor,
Krachkapellendirigent, charmanter Unterhalter, Spielgefährte,
Maskottchen und geheimer Verbündeter der Kinder auf, oder, um es ein
wenig pathetisch zu sagen: gerade in dieser Rolle entdeckte er, nach
jahrhunderte-, ja jahrtausendelanger Wanderfahrt als keltischer Gott,
pommerellischer Baum, Schiffsgeist, Kobold und Sagengestalt, endlich
seine wahre Berufung.
Im Sommer 2011, rund 900 Jahre nach seiner Holzwerdung an der
Weichselmündung, ließ der Klabautermann sich vorerst
endgültig an seinem neuen Wohnsitz in der Nähe eines Berliner Springbrunnens nieder.
Seitdem
kommt es immer mal wieder vor, dass erstaunte Eltern in Berlin und
Brandenburg ihre Kinder erzählen hören, sie hätten ein merkwürdiges
Männchen mit rotem Bart auf einem alten Baumstumpf am Ufer der Panke
sitzen sehen, oder der Klabautermann stehe direkt vor ihrer Nase an der
Reling der BVG-Fähre von Wannsee nach Kladow, oder er befinde sich gar
mitten in ihrem Kinderzimmer, um mit seinem Kalfaterhammer beim Bau
eines Piratenschiffes zu helfen, oder sie seien heute etwas müde, weil
sie in der Nacht mit dem Klabautermann und seinen sieben privaten
Piraten eine kleine Seereise zu dieser oder jener Schatzinsel
unternommen hätten.
↑ Kapitelübersicht zum Lebenslauf
Geschichtsphilosophische
Dimensionen
Aus der Perspektive der wissenschaftlichen Klabautermannkunde
bildet die „gleichberechtigte Kommunikation“, wie sie sich im Umgang
des Klabautermanns mit Kindern spielerisch herausgebildet hat, übrigens
sogar die Keimzelle einer historisch neuen Stufe der Beziehung zwischen
Geistern und Menschen. So schreiben Prof. Mingau und Dr. Kienspan in
ihren Grundrissen einer Theorie des Polterns
(zitiert aus dem unveröffentlichten Manuskript):
„Mit dem Absterben des seemännischen Volksglaubens und dem
Bedeutungsverlust des Holzes als Schiffsbaumaterial scheint es
besiegelt, dass auch der
Klabautermann für den Menschen in Bedeutungslosigkeit versinkt. Aber
das Gegenteil ist der Fall. Kinderaugen sehen den Klabautermann –
und sie sehen ihn richtig. Weder als Schreckgespenst sehen sie ihn, das
man aus lauter Angst lieber nicht genauer betrachtet, noch auch als
gütigen Schutzgeist, von dessen Wohlwollen man abhängig ist und dessen
Fürsorge man bedarf, sondern als Spielgefährten, dem man auf gleicher
Augenhöhe begegnet und dessen geheimnisvolle Unsichtbarkeit für
Erwachsene ihn zum natürlichen Verbündeten der eigenen, kindlichen
Partei macht. Jenseits des Schabernacks
unsichtbarer Püffe und polternder nächtlicher Ruhestörungen, jenseits
des Schreckens und Grauens, mit dem der Anblick des
Klabautermanns für den abergläubischen Seemann, dem es den sicheren Tod
verhieß, verbunden war, bricht hier eine gleichberechtigte
Kommunikation sich Bahn, in der zum ersten Mal in der Geschichte der
Menschheit ein symmetrisches Nebeneinander von Geist und Mensch
manifest wird. (...) So sprießt aus dem scheinbar verseuchten,
versiegelten, erodierenden Boden eines Zeitalters ökologischer Krisen
unbemerkt der Keim eines unbefangenen, herrschaftsfreien Dialogs, der
den Menschen nicht zurück, sondern allererst hin zu einem geistreichen
Einklang mit der Natur, zum gleichschwingenden Wohlklang also im
befruchtenden Austausch mit ihren Geistern, zu führen vermag (...)“.
Um die wissenschaftlichen Grundlagen, auf denen diese auf den ersten Blick vielleicht etwas
überzogen wirkende Interpretation beruht, näher kennenzulernen, lese man auch den folgenden
Abschnitt zur wissenschaftlichen Klabautermannkunde.
Die wissenschaftliche Klabautermannkunde
Die wissenschaftliche Klabautermannkunde ist eine noch recht junge, interdisziplinäre Forschungsrichtung, die von dem Baumphilologen Professor Mingau — einem entfernten Verwandten des Autors dieser Website — und dem Fontänologen Dr. Kienpsan — begründet wurde.
Maßgeblich für eine Neuausrichtung der Klabautermannforschung, die zuvor lediglich als wenig profiliertes Randgebiet der Nord- und Niederdeutschen Volkskunde, der Kultur- und Religionsgeschichte, der Germanistik oder der Vergleichenden Mythologie betrachtet worden war, war das Privileg der persönlichen Bekanntschaft dieser beiden Wissenschaftler mit dem Klabautermann.
Auf der Grundlage mehrjähriger, akribisch dokumentierter Interviews mit dem Klabautermann rekonstruierten Professor Mingau und Dr. Kienspan den Lebenslauf des Klabautermanns von der Antike bis zur Gegenwart. Darüber hinaus gelangten sie zu einer Fülle neuer Informationen, aus denen sie umfassende Hypothesen zur Erklärung Unsichtbarkeit des Klabautermanns für Erwachsene bzw. seiner Sichtbarkeit für Kinder und schließlich zu seiner Kommunikation durch Rumpeln und Poltern ableiteten, welche in ihrem bisher unveröffentlichten Hauptwerk Grundrisse einer Theorie des Polterns erstmals zusammenhängend dargelegt werden.
Für die Vorstellung der wissenschaftlichen Klabautermannkunde auf dieser Internetseite bat ich die beiden Autoren, mir eine „kurze, auch für Kinder verständliche Einführung“ in ihre Poltertheorie zu schreiben. Von der Antwort war ich selbst außerordentlich angetan, denn ich muss gestehen, dass ich das eigentliche, rund 800 Manuskriptseiten umfassende Werk, das noch dazu als 1. Band (ohne Hinweis darauf, wie viele Folgebände noch angedacht sind) herausgegeben werden soll, nicht unbedingt als leicht verdauliche Lektüre empfand. So hat mir eigentlich erst diese Kinderversion ein Verständnis für den philosophischen Horizont eröffnet, vor dem die für den Laien allzu gründliche Analyse der semantischen, semiotischen, kulturhistorischen, rituellen, ontologischen, phänomenologischen, parapsychologischen, xylophonetischen, rhythmischen und medientheoretischen Aspekte des Polterns und deren jeweiliger Anteile am Eigenleben des Unsichtbaren sich zusammen mit Erkenntnissen aus Professor Mingaus baumphilologischen Forschungen zu einem grandiosen Puzzle fügt. Der Klabautermann scheint gleichsam den Bauplan eines kühnen Theoriegebäudes in der Hand zu halten, das, so utopisch es anmutet, doch geradezu organisch mitten aus den leeren Zentren der Gegenwart emporwächst.
Mit freundlicher Genehmigung der beiden Verfasser gebe ich die erwähnte, (mehr oder weniger) kindgerechte Einführung hier im vollen Wortlaut wieder:
„Klabautermannkunde ist eigentlich keine große Wissenschaft, denn sie ist
kinderleicht. Jedenfalls für Kinder. Die brauchen sich einfach nur mit
dem Klabautermann zu unterhalten und können ihn alles fragen, was sie
über ihn wissen wollen. Nur für Erwachsene ist das Ganze so
kompliziert, weil sie den Klabautermann ja nicht sehen können. Er ist
für sie unsichtbar, außer wenn sie auf einem Schiff sind, das gerade
untergeht und für dessen Mannschaft es keine Rettung mehr gibt. Dann sehen die Erwachsenen auch endlich den
Klabautermann, aber dann ist es für sie natürlich zu spät, sich mit
Klabautermannkunde zu beschäftigen.
Damit die Erwachsenen also, auch ohne Schiffbruch zu erleiden, etwas über den Klabautermann erfahren können, gibt es die wissenschaftliche Klabautermannkunde. Zwei Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sie mit dem Klabautermann ganz normal sprechen können, obwohl er ein für
sie unsichtbarer Geist ist. Daraufhin haben sie ihm ganz viele Fragen gestellt, sich die Antworten genau aufgeschrieben und darüber nachgedacht, warum es sich mit all den Dingen, die der Klabautermann erzählt hat, und mit seiner Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit gerade so verhält und nicht anders. Außerdem haben sie noch viele Bücher über den Klabautermann und über alle möglichen anderen Sachen gelesen, zum Beispiel über Poltergeister, Spuk und Geisterbeschwörung, über
Seemannsbräuche, Kobolde, keltische Götter, Springbrunnen, Sprachtheorie, Philosophie undsoweiterundsofort. Dann haben sie selbst ein Buch geschrieben, das heißt Grundrisse einer Theorie des Polterns, oder abgekürzt die Mingau-Kienspansche Poltertheorie. Darin dreht sich alles um das Poltern, denn das ist normalerweise das einzige, was Erwachsene vom Klabautermann mitbekommen. Und die beiden Verfasser versuchen zu beweisen, dass zwischen dem Poltern und der Unsichtbarkeit eines Geistes ein Zusammenhang besteht.
Sie vergleichen die Unfähigkeit der Erwachsenen, den Klabautermann oder andere Poltergeister zu sehen, mit dem Verhalten einiger Florentiner Professoren
vor 400 Jahren, die sich zunächst geweigert hatten, durch das neu erfundene Teleskop des Galileo Galilei zu schauen, schließlich aber
selbst dann, wenn sie hindurchschauten, die von Galilei entdeckten Jupitermonde — die Mediceischen Gestirne — nicht sahen, weil diese in ihrem Weltbild keinen Platz hatten. Schon immer sei es so gewesen, dass die Menschen jahrhundertelang, aus verschiedenen Gründen, für bestimmte Phänomene blind waren, bis eines Tages die Wissenschaft ein einleuchtendes Modell oder ein so genanntes Naturgesetz hervorbrachte, mit dessen Hilfe etwas zuvor Unsichtbares oder Undenkbares plötzlich für beinahe jeden zu etwas ganz Offensichtlichem wurde.
Die Ursache der Unsichtbarkeit des Klabautermanns für Erwachsene, so behaupten die beiden Klabautermannforscher weiter, liege darin, dass er (ohne es selbst zu wissen) durch sein Poltern zu ihnen spreche und dass sie unbewusst Angst davor hätten, das in der Poltersprache Gesagte zu verstehen, denn dies würde zu vieles an ihrem Selbstbild und an den Grundfesten ihrer Kultur durcheinander bringen. Dieser psychische Effekt des Polterns ist für die Poltertheorie so zentral, dass er mit einem besonderen, neuen Fachbegriff benannt wurde, der da lautet: die skopotaraktische Polterperzeption. Skopotaraktisch ist aus dem Griechischen abgeleitet und soll bedeuten, dass eine Störung oder Verwirrung (τάραξις) der Sehorgane von Erwachsenen auftritt, wenn sie das Rumpeln und Poltern des Klabautermanns oder eines anderen Poltergeistes vernehmen. Allerdings muss der Klabautermann gar nicht erst poltern, um für Erwachsene unsichtbar zu sein. Und manchmal poltern auch Menschen herum, ohne dass sie deshalb unbedingt unsichtbar werden.
Die Mingau-Kienspansche Poltertheorie untersucht nun in ihren beiden Hauptteilen Die Geister im Poltern und Das Poltern im Geiste ganz genau alle nur möglichen Polterszenarien, wobei sich zeigt, dass es auch ein Poltern ohne Geräusche geben kann, ganz so, wie es in der Physik Schallfrequenzen gibt, die für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar sind. Das wichtigste Ergebnis all dieser Untersuchungen ist die Schlussfolgerung, dass das Poltern eine Art Sprache ist, also aus Zeichen mit einer ganz bestimmten Bedeutung besteht, und nicht nur aus zufällig aneinandergereihten Tönen. Nur dass keiner diese Sprache versteht — weder Erwachsene noch Kinder noch Poltergeister. Bis jetzt jedenfalls. Die beiden Forscher sind aber fest davon überzeugt, dass es eines Tages mit wissenschaftlichen Methoden gelingen wird, die Poltersprache zu entziffern. Auf diese Weise hoffen sie, weit mehr über das Wesen des Klabautermanns erfahren zu können, als das, was sich aus anderen Quellen ergibt, also entweder aus den persönlichen Berichten des Klabautermanns, aus dem heute längst ausgestorbenen Seemannsgarn alter Seefahrer oder aus überlieferten Sagen und Legenden, in denen das, was über den Klabautermann erzählt wird, meist mit überkommenen Moralvorstellungen und Wertungen vermischt ist.
Es geht in der ganzen Poltertheorie nämlich eigentlich darum zu zeigen, dass der Klabautermann und vielleicht auch andere Poltergeister eine historische Mission haben. Eine historische Mission ist eine Aufgabe, die man hat, obwohl man selbst meistens gar nichts davon weiß und auch nichts unternimmt, um sie zu erfüllen, aber irgendwann nach langer Zeit zeigt sich dann, dass man eben doch genau das getan hat, was zur Erfüllung der Aufgabe notwendig war. Worin nun die historische Mission des Klabautermanns bestehen soll, das klingt, wenn man es zum ersten Mal hört, sicher überraschend, vielleicht sogar etwas verrückt: Der Klabautermann sei ein Dolmetscher zwischen den Kulturen der Bäume und der Menschen.
Dazu muss man wissen, dass der eine der beiden Klabautermann- forscher, Professor Mingau, außer dem Klabautermann und seinem Gepolter auch die Literatur und Dichtung der Bäume erforscht. Er hat sogar als erster Wissenschaftler entdeckt, dass es eine Literatur der Bäume überhaupt gibt, und damit eine neue wissenschaftliche Disziplin, die Baumphilologie, begründet. Aber was hat das mit dem Klabautermann zu tun? Die Mingau-Kienspansche Poltertheorie erklärt es so:
Obwohl wir uns das heute noch nicht vorstellen können, werden sich eines Tages einmal Menschen und Bäume miteinander unterhalten können, und möglicherweise werden sie sich dazu der Poltersprache bedienen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, der Klabautermann kennt aber schon jetzt sozusagen beide
Seiten. Er ähnelt in seiner Koboldgestalt den Menschen und kann denken, sprechen, fühlen, schmecken, sich bewegen und Schabernack treiben wie
sie, aber er ist aus dem Holz der Schiffe geboren, und davor war er ein keltischer Wald-, Wein- und Fruchtbarkeitsgott, der nach seiner 1. Metamorphose sogar selbst eine Zeitlang das Leben eines Baumes, oder mehrerer Bäume, geführt hat.
Gegenwärtig, so nimmt die Poltertheorie an, ist es zwar so, dass der Klabautermann und andere Poltergeister die
Poltersprache genauso unbewusst „plappern“ wie wir Menschen. Das Poltern tritt nur als scheinbar zufällige Begleiterscheinung des
Arbeitens oder des Hantierens mit Gegenständen auf, von denen in der Regel mindestens ein Teil aus Holz ist. Nun hat schon vor rund 200 Jahren der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel die Rolle des Werkzeugs beim Arbeiten sehr genau untersucht und festgestellt, dass sich in dem Werkzeug eine List der Vernunft verbirgt, denn es wirkt nicht nur auf das bearbeitete Objekt ein (um es „zweckmäßig zu vernichten“), sondern auch auf den Arbeitenden, von dem es Geduld, Fleiß und Geschick verlangt und dem es dadurch ermöglicht, seine unmittelbare Begierde vom Objekt (dem erwünschten Ergebnis der Arbeit) abzulenken und sich stattdessen als „entäußertes Arbeitssubjekt“ zu entfalten. Auch wenn wir heute Gründe haben, daran zu zweifeln, ob die professionelle, qualifizierte Wertarbeit, die durch solch eine Entäußerung entsteht, wirklich vernünftig ist: dem Werkzeug, das zwischen Arbeitendem und Bearbeitetem vermittelt, oder noch allgemeiner gesagt, dem Instrument, das mit oder ohne Absicht zwischen Mensch (oder Klabautermann oder Poltergeist) auf der einen Seite und toter Materie (Holz) auf der anderen Seite steht und die Wechselwirkung der Kräfte, die zwischen beiden stattfindet, durch seine Form und Beschaffenheit maßgeblich bestimmt, scheint noch eine weitere List innezuwohnen. Mit welcher Absicht oder aus welchem Versehen auch immer dieses Instrument betätigt wird, es wirkt immer zugleich als Polterinstrument und lässt den aufmerksamen Beobachter aufhorchen.
Das Geräusch des Polterns ergibt einen Überschuss, der weder im Ergebnis der Arbeit (oder des sonstigen mutwilligen oder unfallbedingten Polteraktes) noch in den Folgen für das arbeitende oder anderweitig polternde Subjekt aufgeht. Die Mingau-Kienspansche Potertheorie identifiziert diesen Überschuss als die Stimme des Holzes, die man auch intuitiv deutlich von anderen Arten des Lärms, etwa dem Quietschen von Eisenbahnbremsen, dem Donnern von Flugzeugmotoren, dem Tosen des Meeres oder dem Geschrei von Möwen unterscheiden kann. Nicht umsonst wird von all diesen Geräuschen gerade das Poltern immer wieder von Menschen als unheimlich empfunden. Auch heute noch kann ein Poltern und Rumoren nachts im Dunkeln leicht abergläubische Vorstellungen von gruseligen Poltergeisten auslösen, die bis in das Bewusstsein sensibler Menschen vordringen. Verborgen unter diesen vagen Angstvorstellungen liegt aber eine noch viel tiefere unbewusste Angst, zu deren psychischen Abwehrmechanismen unter anderem die bei Begegnungen von Erwachsenen mit dem Klabautermann einseztende Skopotaraxis (Unfähigkeit zu sehen) gehört. Es ist die Angst vor dem Verstehen.
Das Poltern ist somit ganz objektiv eine durchaus gruselige Art von Sprache, denn die Stimme des Holzes ist für einen Geist wie den Klabautermann, der selbst aus Holz (wieder-)geboren wurde, nichts anderes als eine Stimme aus dem Jenseits. Sie will den Klabautermann daran erinnern, dass in dem toten Holz, auf das er klopft oder mit dem er herumpoltert, vielleicht ein Urahn oder ein ungeborener Bruder von ihm steckt. Auf dieser direkten Verwandtschaft der Geister im Poltern mit dem Klabautermann als lebendigem Poltergeist beruht die Hoffnung der wissenschaftlichen Klabautermannkunde, mit Hilfe des Klabautermanns am ehesten zu einem Verständnis der Poltersprache gelangen zu können — und umgekehrt, mit Hilfe der Poltersprache zu einem besseren Verständnis des Klabautermanns, seiner Unsichtbarkeit und seiner Metamorphosen. (Der Klabautermann selbst findet das alles sehr interessant, und er tut alles, was in seiner Macht steht, um die Wissenschaftler auf ihrem Wege zur Entschlüsselung der Poltersprache zu unterstützen. So hat er beispielsweise der Registrierung aller von ihm ausgeführten Poltervorgänge zum Zwecke späterer wissenschaftlicher Auswertung zugestimmt. Deshalb hat er auch auf fast allen Kindergeburtstagen und Kinderfesten, die er mitgestaltet, ein kleines Diktiergerät dabei).
Die beiden Verfasser der Poltertheorie betonen aber auch mit Nachdruck, dass sich die Botschaft der Poltersprache nicht etwa nur an Poltergeister oder Holzmännlein, sondern ganz wesentlich auch an uns Menschen richtet. Laut und vernehmlich, manchmal geradezu mit dem Holzhammer, dringt sie in unsere Ohren, um in uns die Erinnerung an gemeinsame Wurzeln wachzurufen, die auch unsere Seelen mit denen der Bäume und Pflanzen verbinden. Dabei wartet sie mit einer Geduld, einem langen Atem, einer rhythmischen Penetranz, die ganz der unbeirrbaren, Jahr für Jahr sich erneuernden Lebensart einer Pflanze entsprungen zu sein scheinen, darauf, dass wir ihr Herz und Verstand öffnen. Wir sind aufgerufen, in der Poltersprache ein erlernbares Kommunikationsmittel zu erkennen, und zwar eines, das für uns unentbehrlich ist, wenn wir je die Kluft zwischen Tier- und Pflanzenreich und ihren jeweils am höchsten entwickelten Vertretern, den Menschen und Bäumen, überwinden und endlich damit beginnen wollen, den unseligen Gegensatz zwischen Kultur und Natur, die ideologische Grundlage und zugleich die Achillesferse all unserer technischen Weltmanagement-Praktiken, in das Reich der Mythen und Legenden zu verbannen.
Es bleibt, bei allen Bemühungen der wissenschaftlichen Klabautermannkunde, bisher letztlich ein Rätsel, warum die skopotaraktische Polterperzeption, nur bei Erwachsenen wirkt, warum also der Anblick des Klabautermanns für Erwachsene unmöglich ist, während Kinder ihm klar in die Augen sehen können. Vielleicht aber sind es gerade solche scheinbaren Ungereimtheiten, durch die die List der Vernunft wirkt — nicht nur, wie im Falle der Werkzeuge und Polterinstrumente, indem sie das Augenmerk oder vielmehr Ohrenmerk der Forschung auf das Poltern lenkt und sie dazu bringt, im Poltern die Stimme des Holzes zu erhören, sondern indem sie den Klabautermann gerade in seiner Unsichtbarkeit als verheißungsvolles Instrument, als vielleicht einzigen verfügbaren Schlüssel für die wissenschaftliche Erschließung der Poltersprache erkennbar werden lässt.
Wenn die einzig bekannten Instrumente zur Sichtbarmachung des Klabautermanns, nämlich Kinderaugen, im Gegensatz zu Galileis Teleskop auch aufgeschlossenen erwachsenen Forschern nicht einfach zur Verfügung gestellt werden können, so wird es zur Lösung aller Rätsel rund um den Klabautermann stattdessen einer viel weiter reichenden, gewissermaßen entäußerten Arbeit bedürfen, bei der sich die Rolle des Klabautermanns vom ursprünglichen Forschungsobjekt hin zum aktiven Mitarbeiter verschiebt, von dessen Dolmetscherrolle der Erfolg der Forschungen entscheidend abhängt. Der Klabautermann und die wissenschaftliche Klabautermannkunde haben die Herausforderung angenommen. Das Projekt der Entzifferung der Poltersprache wird sie in Zukunft nicht mehr loslassen“.
Klabautermannkundliche
Literatur
Falls die Streiflichter auf dieser Seite Sie dazu inspiriert haben, sich intensiver mit dem einen oder anderen Aspekt der Klabautermannkunde zu beschäftigen, habe ich hier ein kleines Literaturverzeichnis für den Einstieg in weiterführende Studien für Sie zusammengestellt. Es handelt sich um eine recht willkürliche, eher interessante als grundlegende Auswahl.
Bechstein, Ludwig. Deutsches Sagenbuch. Leipzig, Wigand, 1853.
(Hier ist speziell die Nummer 181 „Die Nissen und die Wolterkens“ von unschätzbarem Wert für die Klabautermannkunde).
Botheroyd, Sylvia und Paul F. Lexikon der keltischen Mythologie. München, Diederichs, 1992.
Buss, Reinhard J. The Klabautermann of the Northern Seas. An analysis of the protective spirit of ships and sailors in the context of popular belief, Christian legend, and Indo-European mythology. Berkeley, University of California Press, 1973.
Gerndt, Helge. Fliegender Holländer und Klabautermann. (Schriften zur niederdeutschen Volkskunde, 4.). Göttingen, Schwartz, 1971.
Gerstäcker, Friedrich. Der Klabautermann. Der Klabautermann und die Schifferstochter. - In: Seegeschichten, 3. Teil. 9.-11. Tsd. Köln, Schaffstein, 1921.
(Zwei etwas altbackene und eher kitschige Erzählungen aus dem Seemannsleben, die gleichwohl sehr detailliert, allerdings wohl auch eher spekulativ, über Aussehen, Lebensgewohnheiten und Charakter des Klabautermanns informieren).
Golther, Wolfgang. Handbuch der Germanischen Mythologie. Leipzig, Hirzel, 1895.
Green, Miranda J. Dictionary of Celtic Myth and Legend. London, Thames and Hudson, 1992.
Harmel, Siegfried. Sagen vom Klabautermann. Rostock, Hinstorff, 2008.
Heims, Paul Gerhard. Seespuk, Aberglauben, Märchen und Schnurren. Leipzig, Hirt & Sohn, 1888.
Kaut, Ellis. Dreißigsiebenvierzehn echte Pumuckl Dichter-Gedichte. München, Lentz, 1995.
Heine, Heinrich. Reisebilder, Teil 2 (1822-1830). In: Gesammelte Werke, Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, Aufbau-Vlg., 1954.
Maar, Paul. Klabautermann an Bord! Hamburg, Oetinger, 2007.
Moers, Walter. Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär. Frankfurt/M., Eichborn, 1999.
(Die im 2. Kapitel geschilderten, eher unsympathischen zamonischen „Klabautergeister“ bilden einen interessanten Kontrapunkt zu dem freundlich-neckischen Bild, das der Mainstream der Überlieferung vom Klabautermann zeichnet).
Morgenstern, Christian. Galgenlieder. Berlin, Cassirer, 1905.
Petzoldt, Leander. Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. München, Beck, 1990.
Puhle, Annekatrin. Das Lexikon der Geister. München, Atmosphören Vlg., 2004.
(Von besonderem Interesse sind hier die Stichworte „Kinder“, „Klabautermann“, „Kobold“, „Klopfen“, „Poltern“ und „Poltergeister“ sowie „Geister-Theorien“).
Sandemose, Aksel. Der Klabautermann. Roman. Aus dem Dänischen v. Nils Hoyer. Berlin, Safari-Vlg., 1928.
Schmidt, Fred. Von den Bräuchen der Seeleute. Gedanken und Erinnerungen. Hamburg, Die Brigantine, 1962.
Sterckx, Claude. Mythologie du monde celte. Paris, Marabou, 2009.
von Ungern-Sternberg, Alexander. Die Seelen der Ertrunkenen. Schiffersagen. Berlin, Aufbau Taschenbuchvlg., 1991.
Wossidlo, Richard. „Reise, Quartier, in Gottesnaam!“ Das Seemannsleben auf den alten Segelschiffen im Munde alter Fahrensleute. 4. Aufl., aus dem Nachlaß hrsg. v. Paul Beckmann. Rostock, Hinstorff, 1951.
(Zweifellos eine der umfangreichsten und interessantesten Quellensammlungen, nicht nur zum Klabautermann. Wossidlo hat versucht, die mündliche Überlieferung mecklenburgischer Seefahrer ohne literarische Bearbeitung oder wissenschaftliche Kategorisierung zu dokumentieren).
English Summary
by H. W. Longfellow (1807-1882)
The poem below is the first of four parts of “The Musician’s Tale: The Ballad of Carmilhan”, which in turn forms part of the cycle Tales of a Wayside Inn, Part second, first published in 1863. In just a few romantic yet concise verses, Henry Wadsworth Longfellow presents the main themes and motifs of the oral and written tradition surrounding Klabautermann.
I'm glad to have found such a classic English summary of my subject, so if your knowledge of German is rather basic, and by some strange coincidence you have still come to my website, please enjoy reading this short literary introduction to Klabautermannkunde (Klabautermann Studies).
The Ballad of Carmilhan
At Stralsund, by the Baltic Sea,
Within the sandy bar,
At sunset of a summer's day,
Ready for sea, at anchor lay
The good ship Valdemar.
The sunbeams danced upon the waves,
And played along her side;
And through the cabin windows streamed
In ripples of golden light, that seemed
The ripple of the tide.
There sat the captain with his friends,
Old skippers brown and hale,
Who smoked and grumbled o'er their grog,
And talked of iceberg and of fog,
Of calm and storm and gale.
And one was spinning a sailor's yarn
About Klaboterman,
The Kobold of the sea; a spright
Invisible to mortal sight,
Who o'er the rigging ran.
Sometimes he hammered in the hold,
Sometimes upon the mast,
Sometimes abeam, sometimes abaft,
Or at the bows he sang and laughed,
And made all tight and fast.
He helped the sailors at their work,
And toiled with jovial din;
He helped them hoist and reef the sails,
He helped them stow the casks and bales,
And heave the anchor in.
But woe unto the lazy louts,
The idlers of the crew;
Them to torment was his delight,
And worry them by day and night,
And pinch them black and blue.
And woe to him whose mortal eyes
Klaboterman behold.
It is a certain sign of death!
The cabin-boy here held his breath,
He felt his blood run cold.
(Longfellow, Henry Wadsworth, "The Musician's Tale; The Ballad of Carmilhan". Henry Wadsworth Longfellow [online resource], Maine Historical Society, Accessed April 6, 2014. www.hwlongfellow.org/poems_poem.php?pid=2056)
In part four of the poem, “Klaboterman” reappears, this time on board the ghost ship Carmilhan. Longfellow seems to mix the story of Klabautermann with another famous sailors’ legend, the Flying Dutchman. If you would like to read more, you can follow the link above to the Maine Historical Society website on Longfellow.